Etwas Neues war der Wortgottesdienst zu Anfang unseres Treffens, der uns allen fühlen ließ, dass wir eine große „Partnerschaftsfamilie“ sind und gemeinsam auf unserem Weg.
Der erste Referent war Giancarlo Castiglione Guerra, Direktor von Forum Solidaridad (Red Latinoamericana sobre Deuda, Desarrollo y Derecho), Experte zu den Themen Wirtschaft, Korruption und Entwicklung.
Sein Thema war heute: Umwelt, Extraktivismus und gesellschaftliche Konflikte. Zunächst stellt der Referent das Forum vor: es sieht sich als eine Organisation zur politischen Einflussnahme und arbeitet dazu in Netzwerken auf verschiedenen Ebenen. Auf der Mikroebene sind es die lokalen Netzwerke, die mit Forum Solidaridad auf der Mesoebene zusammenarbeiten. Forum Solidaridad wiederum ist vernetzt mit Organisationen von Klimagerechtigkeit und wirtschaftliche Gerechtigkeit auf eben der gleichen Ebene. Dort läuft alles im „Red Jubileo Peru“ zusammen und wird zu den großen Organisationen auf der Makroebene transportiert (Latindadd, Eurodad, Afrodad, Oxfam etc.)
Ein konkretes Beispiel, Ernährung und Frauen: Frauen produzieren, verarbeiten, bewahren und verteilen die meisten Lebensmittel für ihre Familien und Dörfer. In den Städten haben selbstverwaltete Solidarküchen (comedores) Erfahrung und Kenntnisse in der Zubereitung, Verteilung und Förderung einer gesunden Ernährung. Comedores wurden 1979 gegründet, aber erst 2001 zu Verband zusammen geschlossen. Comedores und Produzenten, das sind Familien und Landwirte, arbeiten zusammen. Kleinbauern und Köche sind gegen Gentechnik und zeigen das öffentlich bei der Gastronomiemesse Mistura und gleichzeitig bei der agroökologischen Messe, einer Messe der Biobauern, die meist Indígenas sind. Sie erhalten dadurch mehr Wertschätzung.
An einem großen Schaubild können wir sehen, wie reich die Küche Perus ist. Aber der Klimawandel verändert viel.
Ganz einfach erklärt der Referent die Topografie des Landes. Er zerknüllt ein Stück Papier und es entstehen Falten, tiefe Gräben, hohe Spitzen und sagt, so sehe sein Land aus! Ganz und garnicht einfach für Wirtschaft, Handel, Landwirtschaft etc.
In Peru sind 83 von 104 Klimata der Erde vertreten. Das Land steht an dritter Stelle der vom Klimawandel am schwerst betroffenen Länder, obwohl es nur 0,4% des globalen Treibhausgasausstoßes verursacht. Häufigkeit und Intensität der Wetterphänomene sind größer als früher.
Bei der UN-Klimakonferenz 2014 in Lima wurde die Zivilgesellschaft sehr enttäuscht, nur die großen Konzerne wurden gestärkt. Deshalb ist eine breite Mobilisierung bei der UN-Klimakonferenz 2015 in Paris bitter notwendig. Wir müssen uns vernetzen mit anderen, Möglichkeiten gibt es genug: REPAM, das kirchliche Panamazonasnetzwerk Red Eclesial Panamazónica, die Umweltenzyklika von Papst Franziskus, die Gründung der Komittees des Panamazonischen Sozialforums. Diese drei Prozesse müssen verknüpft werden, um bessere Ergebnisse zu erzielen. REPAM setzt sich für ein nachhaltiges Entwicklungsmodell in Lateinamerika ein, das Menschenrechte und Umwelt achtet. Das Netzwerk schult Menschenrechtsaktivisten, um die Anliegen des Amazonasgebietes, vor allem in Zusammenhang mit Megaprojekten, mit Nachdruck zu vertreten.
Bei der Klimakonferenz COP 21 in Paris werden die Themen Amazonien und Gletscherschwund wahrscheinlich gar nicht angesprochen. Eine traurige Vorhersage!
Schauen wir uns Peru genauer an:
Peru steht in Lateinamerika an zweiter Stelle beim Wachstum des Bruttoinlandsprodukts. An erster Stelle steht Panama wegen seiner niedrigen Einfuhrzölle.
Peru steht an zweiter Stelle wegen seines Abbaus von Gold, Silber, Kupfer. Der Goldwert ist enorm gestiegen: Ende der 90 300 $/Unze, 2012: 1.730,56 $/Unze
Aber es ist nicht alles Gold, was glänzt!
Das Wirtschaftswachstum bedeutet nicht gleich soziales Wachstum oder gesellschaftliche Entwicklung. Wachstum und Export geschieht ohne Rücksicht auf Mensch und Natur.
Es gibt 3000 Kaffeesorten, 3000 Quinoasorten, aber Weizen wird eingeführt, es ist das Korn der Reichen.
Peru steht auf dem zweiten Platz bei den Investitionen, leider aber auch auf dem zweiten Platz, was die Erkrankung von Tuberkulose betrifft. Den 6. Platz belegt Peru bei der Wettbewebsfähigkeit, den 14. bei der gesellschaftlichen Entwicklung. Den letzten Platz belegt Peru zusammen mit Kolumbien auf dem Gebiet der Bildung. Bei Argentinien zum Beispiel ist es gerade umgekehrt und Chile belegt auf allen Gebieten Platz 1.
2008 belief sich die Staatsausgabe pro Schüler in Peru auf 369 $, in Argentinien auf 2000 $.
Arbeitslose und Rentner erhalten sehr wenig, 3 von 4 Senioren haben keinen Rentenanspruch, und wenn sie haben, erhalten sie doch nichts!!
Der Extraktivismus ist ein großes Problem, das die Umwelt vernichtet und gesellschaftliche Konflikte verursacht. Ein Beispiel des Extraktivismus zeigt sich beim Abbau von Kupfer:
Im Jahr 2000 wurden 0,6 Mio t abgebaut, 2011 1,2 Mio t und 2016 2,5 Mio t. Eine Folge davon ist, dass der Kupferpreis enorm fällt, also muss man mehr abbauen.
Oder: 70% des Amazonasgebietes ist freigegeben für Ölabbau (Bemerkung des Referenten: du musst schnell handeln, wenn du noch ein Stückchen Peru willst!!!!!)
Auf wirtschaftlichem Gebiet ist Peru Nr. 1 beim Bergbau und im Drogenhandel:
Kosten: 1 kg Kokain 1000 $ früher, heute 50.000$!!!!!!!
Frage eines Teilnehmenden angesichts der vielen Ausführungen des Referenten:
Was können wir denn tun?
Der Referent antwortete mit einem Bild vom Elefanten und den Ameisen. 1 Elefant kann tausend Ameisen nichts anhaben, aber 1000 Ameisen einem Elefanten!!
Am Nachmittag gab es einen zweiten Vortrag von Damian Raiser, Politikwissenschaftler und Journalist. Es ging um unser Bild und unsere Vorstellungen von Peru. Schon im Vorfeld haben wir Fotos zusammengetragen, die nach unseren Vorstellungen am besten unsere Partnerschaft mit Peru symbolisierten. Eigentlich hielt der Referent keinen Vortrag, sondern es waren mehr Fragen an uns, die uns sehr zum Nachdenken anregten. So begann er mit einem Bild von Schlagzeilen, die wir täglich über Peru hören und die unser Bild von Peru verzerren. Oder es ging um Fotos mit Kindern, die unser Mitleid anregen sollen. Spenden, Spenden leicht gemacht! Und wie sieht es denn mit unseren Symbolen aus? Eine Brücke darf keine Einbahnstraße werden, sie muss von beiden Seiten immer wieder erneuert werden. Oder der Regenbogen, ein häufiges Symbol in unserer Partnerschaft. Entsteht ein Regenbogen nicht oft nach einem Gewitter?? Lassen wir es beim fruchtbaren Regen, es muss nicht gleich ein Gewitter sein!
Manch einer hat sicherlich auf der Heimfahrt über Logo und Symbol seiner Partnerschaft nachgedacht und es evtl. kritisch hinterfragt.